Eric saß mit Jessi und Isabell im kleinen Straßencafé am Hafen. Die Sonne spiegelte sich im Wasser, Möwen kreisten über ihnen, und auf dem Tisch standen drei halb geleerte Cappuccinos. Eigentlich war alles perfekt, nur in ihm drin war Unruhe. „Kleines Problem… erklär ich dir später…“, hatte René geschrieben. Danach war Funkstille. Kein WLAN, keine Antwort, kein Zeichen.

„Du starrst jetzt seit zehn Minuten auf dein Handy“, stellte Isabell fest.
Eric sah auf. „Ich will einfach wissen, was passiert ist. ‚Kleines Problem‘ klingt irgendwie nicht klein.“
„Du kennst ihn kaum zwei Tage und machst dir schon Sorgen“, neckte Jessi, aber in ihrer Stimme lag Wärme.
„Ja, und?“, erwiderte Eric leise. „Er ist mir wichtig. Ich kann’s nicht erklären. Es fühlt sich… anders an.“
„Anders gut?“, fragte Isabell.
„Ja. Er hat so eine ehrliche Art. Kein Showgehabe. Wenn er lacht, dann echt.“

Jessi nahm einen Schluck Kaffee. „Wenn das Schicksal euch mitten auf’m Meer zusammenbringt, dann findet es auch an Land Wege. Und falls nicht, genieß wenigstens die Zeit.“
Eric lächelte matt. „Vielleicht hast du recht.“

Sie schlenderten später durch die engen Gassen, die Luft roch nach Salz und Zimt, und Eric versuchte, sich abzulenken. Doch jedes Mal, wenn ein Jetski über das Wasser schoss, musste er an René denken. Er stellte sich vor, wie dieser gerade lachte, nass vom Spritzwasser, die Sonne im Gesicht und er musste unwillkürlich lächeln.

Als sie am Nachmittag wieder an Bord gingen, vibrierte endlich sein Handy. Eine Nachricht.

René: „Bin wieder an Bord. War nichts Schlimmes. Mein Freund David ist beim Jetski vom Teil gefallen, bisschen Chaos. Alles gut. Ich brauch jetzt dringend ’nen Drink.“

Eric atmete tief auf und grinste.

Eric: „Dann trink ich mit. 19:00 Uhr Beach Club?“
René: „Deal. Ich bin dabei.“

Der Abend kam mit warmem Wind und einem goldenen Schimmer über dem Meer. René trat auf das Oberdeck hinaus, das Licht der sinkenden Sonne legte sich weich über seine Haut. Er sah Eric sofort, an der Reling, Drink in der Hand, das Gesicht der Sonne zugewandt. Als Eric ihn bemerkte, leuchtete sein Ausdruck auf. Kein großes Winken, kein übertriebenes Hallo, nur dieser Blick, der sagte: Da bist du ja.

„Na, der Jetski-Held“, grinste Eric.
René lachte. „Held trifft’s nicht. Eher chaotischer Lebensretter.“
„Musstest du David retten?“
„Ja, der ist vom Jetski gefallen, als wär’s ein Fahrrad. Ich hatte kurz nen Herzstillstand.“
„Gut, dass dir nichts passiert ist. Ich hab mir Sorgen gemacht.“
„Wirklich?“
„Ja. Ich hab mir vorgestellt, du sitzt jetzt irgendwo beim Buffet mit irgendeinem Typen.“
„Du bist unmöglich.“
„Ich weiß. Aber wenigstens ehrlich.“

Sie lachten, bestellten Cocktails und ließen sich am Pool nieder. Das Wasser glitzerte, das Licht spiegelte sich auf ihren Gesichtern und für einen Moment war alles ruhig.

„Ich hab gemerkt, wie sehr ich dich mag“, sagte Eric schließlich, fast beiläufig.
René blinzelte überrascht. „Nach drei Tagen?“
„Ja. Und du?“
René sah hinaus aufs Meer. „Ich auch. Aber es macht mir Angst.“
„Warum?“
„Weil das hier zu schön ist. Zu perfekt. Ich kenn das, sowas vergeht schnell.“
Eric schüttelte den Kopf. „Dann lass es echt werden. Nicht perfekt, aber echt.“

Sie sahen sich an, und keiner sprach mehr. Worte wären zu wenig gewesen.

Später gingen sie Hand in Hand nach vorne zum Bug. Der Wind wurde stärker, das Meer dunkel und grenzenlos. Eric stellte sich hinter René, legte die Arme um ihn. „Weißt du, ich wollte auf dieser Reise niemanden treffen. Nur Sonne, Musik, Ruhe. Und dann kommst du, mitten auf’m Schiff, und plötzlich ist alles anders.“
René lächelte. „Ich glaub, das Schicksal hat Humor.“
„Oder Geschmack“, flüsterte Eric und küsste ihn auf die Wange.
Sie standen so da, sahen in die Nacht, und René sagte leise: „Und wenn das hier endet?“
„Dann schauen wir, was bleibt.“
„Und wenn nichts bleibt?“
„Dann war’s trotzdem echt.“

René drehte sich zu ihm um, legte ihm die Hände an den Nacken. „Ich mag, wie du denkst.“
„Ich mag, wie du mich ansiehst.“
„Und ich mag, dass ich das hier nicht beenden will.“
Sie küssten sich. Langsam, intensiv, ehrlich. Der Wind rauschte, das Meer glitzerte, und alles andere verlor Bedeutung.

Die letzten Tage vergingen wie im Rausch. Sie frühstückten zusammen, lagen am Pool, erzählten sich Geschichten aus ihrer Kindheit, machten Fotos, lachten über belanglose Dinge. Abends saßen sie am Heck, wo kaum jemand war, und redeten über Träume und Zukunft.

„Ich wollte immer mal wegziehen“, sagte René eines Abends. „Einfach irgendwohin, wo mich keiner kennt.“
„Und warum tust du’s nicht?“
„Weil ich nie wusste, wohin.“
„Vielleicht weißt du’s jetzt.“
„Hamburg also?“
„Könnte sein. Ist groß genug für uns zwei.“
René lächelte nur, und sie sahen schweigend aufs Meer hinaus.

Am letzten Morgen weckte sie die Durchsage. „Liebe Gäste, wir erreichen in Kürze den Hamburger Hafen…“ René blieb noch liegen, halb wach, halb träumend. Eric kam aus dem Bad, das Handtuch um die Hüfte, die Haare feucht.
„Na, ausgeschlafen?“
„Geht so. Ich will nicht, dass’s vorbei ist.“
„Ich auch nicht. Aber vielleicht ist’s gar kein Ende. Vielleicht ist’s der Anfang.“
René setzte sich auf, suchte Erics Blick. „Wenn wir’s wollen.“
„Ich will’s.“
„Dann ich auch.“

Später, auf dem Deck, herrschte Chaos. Koffer rollten, Lautsprecher riefen Namen, Möwen kreisten über dem Hafen. René stand mit seiner Tasche an der Reling, sah auf die Skyline. Eric trat neben ihn, legte seine Hand in die von Rene. „Ich will dich wiedersehen.“
„Dann tu’s.“
„Versprichst du, dass du kommst?“
„Ich verspreche es.“

Sie küssten sich, mitten im Trubel. Kein langer, kein filmreifer Kuss, einfach echt, voller Wärme. Dann gingen sie getrennte Wege, beide mit einem leisen Lächeln und einer stillen Hoffnung.

Zwei Wochen später stand René am Hauptbahnhof Hamburg. Der Wind roch nach Regen, die Luft war frisch. Er suchte die Menge ab, bis er ihn sah, Eric, wartend am Gleis, das gleiche offene Lächeln wie damals auf dem Schiff.

René lief auf ihn zu, sie umarmten sich fest. „Zwei Tage, oder?“, fragte René.
„Zwei Tage“, sagte Eric, doch beide wussten, dass das nicht stimmen würde.

Sie spazierten durch die Speicherstadt, fuhren Boot, aßen Fischbrötchen, redeten, lachten, ließen die Zeit einfach fließen. Was als Wochenende geplant war, wurde zu einer Woche. Eines Abends saßen sie auf Erics Balkon, eingehüllt in eine Decke, die Lichter der Stadt spiegelten sich in der Elbe. „Ich will das nicht verlieren“, sagte Eric leise. René lehnte sich an ihn. „Dann verlieren wir’s nicht.“
„Willst du’s wirklich versuchen?“
„Ich bin nicht hier, um zu zweifeln.“

Eric sah ihn lange an, dann zog er ihn näher. „Dann versuchen wir’s.“

Sie blieben noch lange so sitzen, während die Nacht sich über Hamburg legte. Keine laute Liebeserklärung, keine Versprechen für die Ewigkeit, nur zwei Menschen, die sich fanden, obwohl sie gar nicht gesucht hatten.

Draußen fuhr ein Schiff über die Elbe. Vielleicht das gleiche, auf dem sie sich begegnet waren. Aber diesmal waren sie keine Passagiere auf getrennten Reisen mehr. Diesmal fuhren sie gemeinsam.


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